25 Jahre medizinische Hilfe für obdachlose Menschen

Berlin, 11. September 2019

190911 Praxis Rede1 web„Wir sind ein erster Anlaufpunkt für eine Vielzahl von Menschen, die keine andere Anlaufstelle mehr haben. Wir helfen unseren Patient*innen, den Weg zurück ins Hilfesystem zu finden.“ Mit diesen Worten beschreibt Projektkoordinatorin Christin Recknagel die Arbeit der (Zahn-)Arztpraxis am Stralauer Platz, die am 11. September anlässlich ihres 25-jährigen Bestehens zum Tag der offenen Tür eingeladen hatte.

Sozialsenatorin Elke Breitenbach war persönlich vor Ort und sprach der GEBEWO pro und den Mitarbeitenden der Praxis ihren Dank aus. Der überwiegend ehrenamtliche Einsatz der Mitarbeitenden trage seit 25 Jahren dazu bei, dass nicht noch mehr Menschen auf der Straße aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme sterben, so Elke Breitenbach. So dankbar sie auch über die großartige Arbeit der Praxis sei, so schwerfiele es ihr auch, ihre Glückwünsche zum Jubiläum auszusprechen, denn die Tatsache, dass eine solche Einrichtung immer noch notwendig ist, sei eigentlich kein Grund zur Freude. Die (Zahn-)Arztpraxis fängt auf, was die Politik lange versäumt habe, erklärte sie weiter. Nun sei es von großer Bedeutung, dass die neu beschlossenen Leitlinien der Wohnungsnotfallhilfe und Wohnungslosenpolitik in Berlin umgesetzt werden, um die Situation von obdachlosen Menschen nachhaltig zu verändern. Dafür müssen der Senat und die Bezirksämter wie auch schon bei der Erarbeitung der Leitlinien weiterhin an einem Strang ziehen.

Robert Veltmann, Geschäftsführer der GEBEWO - Soziale Dienste - Berlin bedankte sich bei allen Partner*innen und Unterstützer*innen, die die Arztpraxis seit Jahrzehnten mit Geld- und Sachspenden tatkräftig unterstützen. Besondere Erwähnung fanden hier das Zahnärztliche Hilfswerk und die Anschutzgruppe, aber auch Apotheken und anderen Spender*innen wurde für ihr Engagement gedankt. Besonders herzlich bedankte er sich außerdem bei dem gesamten Team, ohne die der Praxisalltag gar nicht möglich wäre. Besonders eine Mitarbeitende wurde beglückwünscht - sie war vom ersten Tag an als Krankenschwester mit dabei und feierte somit gemeinsam mit der Praxis ihr Jubiläum. 

In seiner Rede berichtete er weiter von den komplexen Problemlagen, mit denen die Patient*innen in die Praxis kommen. Die gesundheitliche Verfassung der Patient*innen ist deutlich durch das Leben auf der Straße geprägt - fehlende Hygieneversorgung, Mangelernährung und auch Ungezieferbefall sind keine Seltenheit, wodurch sie häufig „nicht wartezimmerfähig“ sind. Die Behandlungen sind deshalb oft langwieriger als bei durchschnittlichen Patient*innen. Das hat aber nicht nur gesundheitliche Gründe: „Die obdachlosen Menschen bringen zusätzlich zu ihren Erkrankungen noch ihre individuellen Probleme mit. Viele brauchen das offene Ohr unserer Mitarbeitenden“, erklärte Christin Recknagel. Aus diesem Grund ist die in der Praxis angesiedelte Sozialberatung ein intensiv genutztes Angebot. Auch die allgemeine Versorgung mit Nahrung, Kleidung und die Möglichkeit zu duschen wird ausgiebig genutzt.

Im Anschluss an die Reden konnten sich die Gäste die Räumlichkeiten der Praxis und der dazugehörigen Sozialberatung, der Küche, der Bäder und der Kleiderkammer anschauen. Die Möglichkeit zum Austausch mit den Mitarbeitenden wurde nicht nur von der Presse, sondern auch von Mitarbeitenden anderer Träger intensiv genutzt. Die wollten unter anderem wissen, wie man in der (Zahn-)Arztpraxis mit den Ängsten der Patient*innen umgeht, wie die Kostenabrechnung bei Zahnersatz abläuft und wie das Zusammenspiel von ärztlicher Versorgung und Sozialberatung funktioniert.

Wir haben uns sehr über das große Interesse aller Gäste gefreut und hoffen, einen guten Einblick in die Arbeit der (Zahn-)Arztpraxis ermöglicht zu haben.